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Woche der Brüderlichkeit im Landkreis Fürth: Spannende Zeitreise zurück zu den Kreuzzügen

Pfarrerin Barbara Eberhardt bei ihrem Vortrag

Die Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit organisieren jährlich im März die Woche der Brüderlichkeit. Der Landkreis Fürth beteiligt sich daran seit vielen Jahren.

Das landesweite Motto lautete in diesem Jahr: „Im Gehen entsteht der Weg. Impulse christlich-jüdischer Begegnung“. Die Veranstaltung im Landkreis fand an der Realschule Lngenzenn statt.

Nach Ansicht des Landrats vermittelte dieses Leitwort “sehr anschaulich, was die Arbeit der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit und die Woche der Brüderlichkeit seit über sechs Jahrzehnten auszeichnet.” Wie er berichtete, berühre ihn das Motto in mehrfacher Weise: Als Politiker stehe er oft vor Aufgaben, für die “wir nur schritt-weise Lösungen finden und verwirklichen können. Unser Weg in die Zukunft entsteht dann, wenn wir Schritt für Schritt vorangehen.”

Er kam aber auch auf den ehemaligen ehrenamtlichen Bürgermeister in Tröglitz in Sachsen-Anhalt zu sprechen, der aus Angst vor Neonazis Anfang März zurückgetreten war. “So etwas dürfen wir nicht zulassen. Wir müssen und wollen die Vielfalt der Lebenswelten als Reichtum einer modernen Bürgergesellschaft begreifen. Wir wollen ein gutes nachbarschaftliches Miteinander von Menschen unterschiedlicher Kulturen, Nationalitäten und Religionen erreichen.” Das erfordere Akzeptanz, und dafür sei es unerlässlich, andere Einstellungen, Kulturen und Traditionen zu verstehen.
“Und der Weg dahin führt über Begegnungen und Dialoge. Zum Dialog gibt es keine Alternati-ve”, sagte der Landrat.

Er konnte in Langenzenn als Referentin Pfarrerin Barbara Eberhardt begrüßen, die ursprünglich aus Fürth stammt, jetzt aber in Regensburg arbeitet. In ihrem Vortrag unter dem Titel „Unverständnis und sympathische Wärme“ beleuchtete sie die christlich-jüdische Begegnung durch die Jahrhunderte in Mittelfranken.

Barbara Eberhardt war zunächst als Lehrerin für Mathematik und Religion, dann als Pfarrerin tätig. Von 2002 bis 2007 arbeitete sie hauptamtlich im Projekt „Synagogen-Gedenkband Bayern“: Mit einer Kollegin hat sie zwei Bücher zur jüdischen Geschichte im Freistaat erarbeitet. Für ihren Vortrag an der Realschule griff sie auf Fakten aus dem Teilband „Mittelfranken“ zurück.

Aktueller Bezug unverkennbar

Ihre spannende Zeitreise vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert begann in Nürnberg, wo es die erste jüdische Gemeinde in Mittelfranken gab. Gegründet wurde sie Mitte des 12. Jahrhunderts. Allerdings aus keinem schönen Anlass heraus: Zu der damaligen Zeit begann der zweite Kreuzzug. Adelige, christliche Pfarrer aber auch Mönche riefen dazu auf, ins Heilige Land zu ziehen und dort gegen die Muslime zu kämpfen und sie zu vertreiben. Ziel sei es gewesen, die muslimischen Stätten wieder unter christliche Herrschaft zu bringen.

Als Lohn wurde allen versprochen, die an dem Kreuzzug teilnahmen, dass ihnen die Sünden erlassen würden und sie nach ihrem Tod direkt in den Himmel kämen. Der aktuelle Bezug ist unverkennbar: “So ganz anders ist es heute nicht, wenn jugendliche Salafisten in den Irak oder nach Syrien ziehen, um für den Islamischen Staat zu kämpfen”, sagte die Pfarrerin.

Im Mittelalter machten sich tausende Kreuzfahrer auf in den Orient. “Zuerst richteten sie aber ein Massaker an den Juden in ihrer Heimat an, die sie ebenfalls als Feinde empfanden”, erläuterte Barbara Eberhardt. Viele jüdische Familien flüchteten vor den Kreuzrittern, vor allem aus der Rheingegend. Einige davon kamen nach Nürnberg und siedelten sich dort an. Es war die Geburtsstunde der ersten jüdischen Gemeinde in Mittelfranken. Als Wohngegend wurde ihnen das Pegnitzufer zugewiesen.

“Das war damals ein Sumpfgebiet und deswegen nicht besonders attraktiv”, sagte die Expertin. 1296 wurde dort eine Synagoge eröffnet. Doch nur zwei Jahre später mussten die Juden erneut um ihr Leben fürchten, wegen des so genannten Rintfleischpogroms. Ein Mann namens Rintfleisch zog durch die Gegend und rief zu Massenmorden an Juden auf. Hunderte starben in Franken.

Schwere Zeiten auch in Fürth

Auch in Fürth verliefen die christlich-jüdischen Begegnungen nicht besonders friedlich. Im Jahr 1630 war Fürth in drei Herrschaftsgebiete aufgeteilt. Ein Gebiet gehörte zu den Ansbacher Markgrafen, eines zum Hochstift Bamberg und das dritte dem Rat der Stadt Nürnberg. Sowohl im Ansbacher als auch im Bamberger Gebiet siedelten sich Juden an. Nur die Nürnberger wollten keine Juden in Fürth aufnehmen. Besonders lautstark protestierte gegen den Zuzug der Juden der damalige Pfarrer der evangelischen Michaeliskirche, wie Barbara Eberhardt berichtete.

Später gab es auch in Wilhermsdorf, Langenzenn und Zirndorf jüdische Gemeinden. Im Jahr 1723 lebten in Zirndorf 13 jüdische Familien. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts stieg die Zahl immer weiter an. Doch dann weisen alte Statistiken einen dramatischen Rückgang aus. Der Grund: Im Königreich Bayern wurden neue Gesetze eingeführt. Ein Gesetz sollte dafür sorgen, dass sich die jüdischen Familien nicht weiter ausbreiten. Jeder jüdische Familienvorstand erhielt eine sogenannte Matrikelnummer und dadurch bürgerliche Rechte. Damit konnte beispielsweise ein Gewerbe angemeldet oder eine Heirat beantragt werden. Doch es wurde nur eine feste Anzahl Matrikelnummern vergeben.

“Wollte ein Jude eine neue Familie gründen, musste er warten, bis eine Matrikelnummer frei wurde”, erzählte Barbara Eberhardt. “Und das passierte nur selten.” Viele Juden wanderten wegen der neuen Gesetze aus Bayern aus.

Um 1865 stellte sich die Situation in Mittelfranken wieder ganz anders dar. Das geht aus Berichten des jüdischen Blechspielfabrikanten Ignaz Bing hervor. Er schrieb über seine Heimat Nürnberg: “Die Bürgerschaft war frei von allem Antisemitismus. Ich verkehrte mit mehr gebildeten christlichen Leuten als mit solchen israelitischer Konfession. Man lebte miteinander gemütlich, freundschaftlich.”

Im 19. Jahrhundert endete die Zeitreise der Pfarrerin. Sie blickte dennoch kurz auf das Heute: “Hitler hat nicht gesiegt”, sagte sie. Denn es gibt auch heute noch jüdische Gemeinden in Mittelfranken, nämlich in Erlangen, Nürnberg und Fürth. “Und viele Christen interessieren sich für die jüdischen Gemeinden und besuchen Synagogen.”

Der Landrat dankte zum Abschluss der Veranstaltung allen, die sich in den 14 Land-kreisgemeinden für den jüdisch-christlichen Dialog engagieren. “Sie trugen und tragen entscheidend dazu bei, dass sich in unserer Gemeinde ein Miteinander der Bürgerinnen und Bürger jüdischen und christlichen Glaubens entwickelt hat.”

Dass weiterhin ein intensiver Dialog und ein großes Engagement erforderlich sei, das zeigten “die abgedroschenen Phrasen und Vorurteile über Juden, über Muslime oder den Islam und über andere Zugewanderte, die bei Demonstrationen wieder laut werden.”

Matthias Dießl: “Das dürfen wir nicht hinnehmen, hier wollen und müssen wir gegensteuern. Das sind wir den hier lebenden Juden und Muslimen, das sind wir uns selber schuldig. Und ich bin froh, dass viele auch in unserem Landkreis so denken und handeln.”

Er wünschte sich, dass es für das Zusammenleben im Landkreis und in ganz Deutschland keine Rolle spiele, welche Religion, Kultur, nationale Herkunft oder Weltanschauung die Menschen präge. “Alle, die hier leben, sind willkommen!”