Familienkonferenz im Landkreis: Appell für intensive Jugendarbeit
-“Zum Glück sind wir noch Zuzugsregion”, sagte Landrat Matthias Dießl in seiner Begrüßung. Der demografische Wandel dürfe aber trotzdem nicht unterschätzt werden. Er sprach sich insbesondere für eine hochwertige und der Situation angepasste Jugendarbeit aus. Dazu aktualisiere der Landkreis aktuell den Jugendhilfeplan mit vielen engagierten Partnern. Unter anderem mit dem LEADER-Projekt - Zuschüsse der EU - wolle der Landkreis auch das Thema Demografie weiter aktiv anpacken.
Wie entscheidend die demografische Altersentwicklung unsere ganze Gesellschaft und dabei vor allem auch die künftige Jugendarbeit noch auf Jahrzehnte hinaus beeinflussen und verändern wird – davon zeichnete Dr. Ulrich Bürger vom Landesjugendamt Baden-Württemberg in seinem fast zweistündigen, sehr erhellenden Einstiegsreferat zur Thematik ein überzeugendes, wenn auch zu recht fast dramatisches Bild.
Seit über 25 Jahren beschäftigt sich Diplom-Pädagoge Dr. Ulrich Bürger als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Landesjugendamt Baden-Württemberg mit der Bevölkerungsentwicklung und dem demografischem Wandel in Deutschland. Hierfür wertet er regelmäßig die aktuellen Zahlen und Statistiken der Landes- und Bundesämter aus und rechnet deren Ergebnisse selbst noch einmal gegen, erstellt auch eigene Prognosen zu künftigen Entwicklungen auf Basis der gemeldeten Daten.
Der Demografie-Forscher Bürger begann seinen Vortrag mit einer Statistik zur Bevölkerungsentwicklung in Bayern, die knapp 50 Jahre weit bis ins Jahr 2060 voraus reichte. „Solche Zukunftsprognosen über mehrere Jahrzehnte kommen vielen wie Kaffeesatzleserei und Hokuspokus vor“, klärte Bürger zuerst einmal Grundlagen: „Aber man muss verstehen, dass demografische Entwicklungen in langen Wellen und Zeiträumen ablaufen. Hat das erst einmal Fahrt und Richtung aufgenommen, dann ist das für die nächsten 30 bis 40 Jahre nicht mehr umkehrbar.“
Für ganz Bayern prognostizierte Bürger darum nach aktueller Zahlenlage bis 2060 einen Bevölkerungsschwund von insgesamt rund sieben Prozent auf etwa 11,62 Millionen Landeseinwohner: „Am stärksten verliert dabei die Gruppe der unter 20-Jährigen. Sie sinkt bis 2060 um ganze 25 % auf nur noch rund 1,82 Millionen. Und das ist sehr bedenklich.“
Und zwar sowohl volkswirtschaftlich, argumentierte Bürger – denn wo sollen qualifizierte Arbeitskräfte in nötiger Zahl dann noch her kommen: „Die Zuwanderung aus anderen Ländern wird hier ein immer wichtigeres Thema werden.“ Als auch sozialpolitisch – denn auch für Vereine, Ehrenämter oder die Übernahme politischer Verantwortung werde der Nachwuchs schon jetzt immer knapper: „Kinder und Familien werden zusehends zu einer Minderheit, deren Bedürfnisse und Interessen nicht denen der immer älteren Mehrheit entsprechen. Sie werden darum künftig mehr denn je auf Unterstützung und Förderung durch eine breite bürgerliche und kommunalpolitische Lobby angewiesen sein.“
Laut Bürgers Berechnungen schrumpft bis 2060 auch der bayerische Bevölkerungsanteil der 20 bis 65-Jährigen, „also der Erwerbstätigen, die unser Bruttosozialprodukt erarbeiten“, um fast zehn Prozent von heute rund 61,1 Prozent auf dann nur noch 51,6 Prozent. Wenn aber die Ökonomie durch den Schwund der mittleren Altersgruppe unrund laufe, dann seien auch keine finanziellen Ressourcen für qualitativ hochwertige Jugendarbeit mehr da, mahnte er: „Und das ist schon jetzt unumkehrbar. Diese Entwicklung kommt.“
Die einzige Gruppe, die laut Prognose stark anwachsen wird, sind die über 65-Jährigen, und zwar von heute 19,5 Prozent auf einen Bevölkerungsanteil von 32,7 Prozent in 2060: „Besonders stark wächst hier die Gruppe der Hochbetagten.“ Dies werde, zumal bei steigender Altersarmut, unausweichlich zu einem deutlich höheren und zunehmend stationären Pflegebedarf führen: „Dadurch werden künftig auch die kommunalen Kassen deutlich mehr belastet.“
Daten für den Landkreis Fürth
Für Bayern und den Landkreis Fürth zeichnete Bürger im Bundesvergleich dabei noch ein relativ positives Zukunftsbild. Denn zum Beispiel München „prosperiert und wächst wie verrückt“, und auch der Landkreis Fürth sei immer noch Zuzugsgebiet: „Das sieht bundesweit und auch in vielen der 71 bayerischen Landkreise schon ganz anders aus. Manche schrumpfen bereits um bis zu 30 Prozent.“
Bei der Prognose bis 2025 gewinnt der Landkreis Fürth, was Kinder und Jugendliche angeht, sogar ein Prozent dazu. Bürger sprach deswegen vom „glücklichen Landkreis Fürth”. Auch Maximilian Gaul, Vorsitzender des Rundes Tisch Familie, sah den Landkreis gut aufgestellt. Die Fortschreibung des Jugendhilfeplans berücksichtigte ihm zufolge bereits viele der von Bürger genannten Entwicklungen. Bürger betonte, die Wichtigkeit der aktiven Jugendarbeit sei im Landkreis frühzeitig erkannt worden, das zahle sich nun aus.
Prognose für die nächsten zehn Jahre
Die nächsten zehn Jahre seien, angesichts der Entwicklungsprognose, für die Jugendarbeit im Landkreis Fürth ein entscheidender Zeitraum, betonte Bürger. Mit zügig umgesetzten, der neuen Situation angepassten Konzepten und Maßnahmen ließen sich die kommenden „drastischen Verschiebungen im Anteil der Altersgruppen“ zwar schon nicht mehr umkehren oder aufhalten, aber womöglich deren Auswirkungen immerhin ein Stück abmildern und dann zumindest auf lange Sicht wieder bessern.
Zum Abschluss seines hoch aufschlussreichen und äußerst kurzweilig vorgetragenen Zwei-Stunden-Referats würdigte der Prognose-Spezialist anerkennend die offensichtlich schon langjährigen diesbezüglichen Aktivitäten im Landkreis: „Dies ist nun bereits Ihre 8. Familienkonferenz. Ich sehe also mit Freude, dass Sie sich der heutigen und künftigen Wichtigkeit gerade des Themas Jugendarbeit schon länger deutlich bewusst sind und daran arbeiten.“
Gute Impulse
In anschließenden Workshops vertieften die Teilnehmer der Konferenz das Thema dann noch weiter. “Als Vorsitzender des Runden Tisches Familie freue ich mich, welche Impulse wir bei der Konferenz erhalten haben”, sagte Roßtals Altbürgermeister Maximilian Gaul. “Dr. Bürger hat uns die Augen weit geöffnet, aber wir können stolz darauf sein, dass wir unseren Jugendplan in allen von Dr. Bürger angesprochenen Bereichen mit Maßnahmen abgesichert haben. Wir sind im Landkreis Fürth gut aufgestellt”, fasste Maximilian Gaul zusammen.
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