| AAA | Drucken

Mittelfränkische Landräte bitten örtliche Abgeordnete um Unterstützung für Gesetzesinitiative im Bundestag

"Jetzt besteht die einmalige Chance, die Landkreise und Städte von Kosten zu befreien, die der Staat ihnen unnötig aufbürdet", so die mittelfränkischen Landräte bei ihrem heutigen Treffen in Neustadt/Aisch. Viele Vorschläge aus der "Liste von Fällen des legalen Missbrauchs" der mittelfränkischen Landräte vom März 2004 werden in den nächsten Wochen im Deutschen Bundestag beraten. Das dabei zu beschließende "Kommunale Entlastungsgesetz" hat das Ziel, die Kommunen jährlich bundesweit um 300 Mio. ¤ bei der Sozialhilfe und rd. 250 Mio. ¤ bei der Jugendhilfe zu entlasten. In einem Brief an die Bundestags-Abgeordneten Mittelfrankens appellieren die Landräte, das Gesetz unbedingt zu unterstützen. Landrätin Dr. Gabriele Pauli hofft auf einen Durchbruch: "Um die finanzielle Handlungsfähigkeit der Kommunen wieder herzustellen und Sozialleistungen verstärkt am tatsächlichen Bedarf zu orientierten, ist die Umsetzung dieses Gesetzesvorhabens für die Landkreise und Städte eine absolute Notwendigkeit", so Dr. Gabriele Pauli anlässlich eines Treffens der mittelfränkischen Landräte am 10. Mai in Neustadt. Mit einem "Katalog des legalen Missbrauchs" haben im Frühjahr vergangenen Jahres die mittelfränkischen Landräte anhand konkreter Beispiele aus ihrer Praxis auf Lücken und Widersprüchlichkeiten in Sozialgesetzen hingewiesen. Dabei stellte sich heraus, dass viele Abgeordneten teilweise nicht konkret wussten, zu welchen enormen finanziellen Belastungen die von ihnen einst beschlossenen Gesetze bei den Landkreisen und Städten führen. So reicht beispielsweise allein der Nachweis einer "seelischen Bedrohung" eines Kindes mittels Gutachten aus, dass die Eltern - unabhängig von ihrem Einkommen - im Rahmen der gesetzlichen Eingliederungshilfe vom Sozialamt Frühförderleistungen von mehreren Tausend EURO im Jahr erstattet bekommen. Die Beurteilung des Kindes durch aufwändige Tests und Gutachten erfolgt ebenfalls für die Eltern umsonst. Das „Kommunale Entlastungsgesetz“, das auf einer Gesetzesinitiative des Freistaats Bayerns beruht, sieht u.a. folgende Regelungen vor: Bislang wird bei der Gewährung sozialer Leistungen nicht nach der finanziellen Leistungsfähigkeit der kommunalen Träger gefragt. Mit der gesetzlichen Änderung soll der Vorbehalt der haushaltsmäßigen Finanzierbarkeit eingeführt werden (Finanzkraftklausel für die Kommunen). Mehr Eigenverantwortung der Eltern bei Jugendhilfeleistungen wird durch eine stärkere Kostenbeteiligung erreicht: Vermögende Eltern sollen sich künftig stärker an den Kosten für Jugendhilfemaßnahmen beteiligen. Gleichzeitig soll eine Verwaltungsvereinfachung durch pauschalierte Kostenbeiträge erreicht werden. Eltern vernachlässigter Kinder, die auf Kosten der öffentlichen Jugendhilfe im Heim erzogen werden müssen, sollen künftig kein Kindergeld kassieren, sondern dies dem leistenden Jugendhilfeträger überlassen. Dies war eine ganz zentrale Forderung der Praxis: Kein Kindergeld bei Heimunterbringung! Durch die Möglichkeit eines schnelleren Entzugs des Sorgerechts bei Vernachlässigung und Verwahrlosung von Kindern soll ein stärkerer Schutz des Kindeswohls erreicht werden. Es wird ferner ausdrücklich begrüßt, dass die bisher im SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz) angesiedelten Hilfen für behinderte Kinder und Jugendliche wieder in das Sozialgesetzbuch XII übergeführt werden sollen, um damit die Aufteilung der Eingliederungshilfe in Jugendhilfe (für seelisch Behinderte) und in Sozialhilfe (für geistig und körperlich Behinderte) zu beenden und eine Gleichbehandlung aller jungen Menschen mit Behinderung zu erreichen. Diese Sonderzuständigkeit der Jugendhilfe für seelisch behinderte junge Menschen hat sich, wie auch die gesammelten Missbrauchsfälle der Landkreise gezeigt haben, nicht bewährt. Die Abgrenzung geistiger und seelischer Behinderungen mit unterschiedlicher Kostenträgerschaft der Landkreise oder Bezirke, so wie körperliche und daraus resultierende drohende seelische Behinderungen können zudem oft nur schwer oder mit erheblichem Verwaltungsaufwand erfolgen. In der Folge führen diese Problematiken zu erheblichen zeitaufwändigen Streitigkeiten unterschiedlicher Träger bis hin zu verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Die mittelfränkischen Landräte wenden sich deshalb nachdrücklich an alle mittelfränkischen Mitglieder des Bundestages und bitten diese im Interesse aller Kommunen, das Kommunale Entlastungsgesetz (KEG), das der Freistaat Bayern auf den auf den Weg gebracht hat, auf Bundesebene mitzutragen. Der Vorschlag des Freistaates enthält die von den Landräten eingeforderten Ergänzungen und könnte, so die Meinung, wie vorgelegt übernommen werden. Rasches Handeln ist angesagt: Die Ausgaben der bayerischen Bezirke für Menschen mit Behinderung stiegen zwischen 1995 und 2004 von 828 Mio. ¤ auf 1.714 Mio. ¤ an. Das Ende der Kostenexplosion ist damit aber noch lange nicht erreicht. Nach der von den Bezirken aufgezeigten Kostenentwicklung muss bei der Eingliederungshilfe bis zum Jahr 2012 mit einem weiteren Kostenanstieg von rund 840 Mio. ¤ auf gesamt 2.500 Mio. ¤ für Gesamtbayern gerechnet werden. Ständig neue Belastungen, wie das Grundsicherungsgesetz ab 2003 und Hartz IV ab Januar dieses Jahres, führen zu einem weiteren Ausgabeschub. Die wirtschaftlichen Probleme des Staates treffen damit nicht nur Bund und Länder, sondern vor allem die Kommunen in voller Breite. Zwischen 2002 und 2005 nahmen die Steuereinnahmen für die bayerischen Landkreise und Bezirke um 793 Mio. ¤ ab. Gleichzeitig stiegen die Ausgaben im Bereich der Sozial- und Jugendhilfe um insgesamt 579 Mio. ¤ an. Die Kommunen in Bayern waren deshalb gezwungen, 2002 und 2003 neue Schulden in Höhe von 1.941 Mio. ¤ aufzunehmen und verwalten gegenwärtig eine Gesamtverschuldung von 21,6 Mrd. ¤. "Daraus wird sichtbar, dass die Kommunen seit Jahren einen stets steigenden Anteil ihrer sinkenden Steuereinnahmen zur Finanzierung der Sozial- und Jugendhilfe aufwenden ", so die Vorsitzende der mittelfränkischen Landräte. Die mittelfränkischen Landräte zeigten sich bei ihrem Treffen in Neustadt zuversichtlich, dass es mit dem Kommunalen Entlastungsgesetz gelingen könne, die seit Jahren überproportional steigenden kommunalen Sozialausgaben einzudämmen und baten deshalb die örtlichen Mandatsträger des Bundes, den Kommunen die Umsetzung ihrer Einsparvorschläge im Bereich der sozialen Leistungsgesetze nicht zu verweigern.